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Erstmal nichts- außer man liest die Psalmen: Da heißt es „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zum Herrn: meine Zuversicht und meine Burg! Er wird dich mit seinen Fittichen decken.“ (Ps 91, 1.2.4).  Es ist  der Bartgeier, der in der Bibel der „Pate“ ist für die symbolische Beschreibung, wie die Kraft Gottes wirksam ist für den Menschen. Die Bartgeier gab es in Israel häufig. Den Adler eher nicht. Der Adler wurde lediglich bevorzugtes Symbol für diesen schützenden Gott, weil Luther beim Übersetzen an dieses majestätische Tier und bekannte Herrschaftssymbol gedacht hat. Zudem hat die Schönheitskonkurrenz zwischen den Vögeln mit großer Flügelspannweite nach menschlichem Urteil auch immer der Adler gewonnen. Doch wer Bartgeier beobachtet, kann sehen, wie sie ihren Jungen Schatten spenden mit ihren Flügeln. Unter ihren als Sonnenschirm ausgespannten Fittichen werden die jungen Bartgeier mit ihrem noch spärlichen Federkleid vor der zu heißen und lebensfeindlichen Wüstensonne geschützt. 

Gott als Schutz und Schirm, Gott der uns Menschenkindern Zuflucht gibt im Schatten seiner Flügel (Ps 36,8).  Dass so viele Eltern für ihre Kinder Taufsprüche aussuchen, die vom schützenden Gott handeln, dass Konfirmationssprüche der Sehnsucht Ausdruck geben, dass das Leben nicht nur allein bewältigt werden muss, sondern auch Hilfe, Schutz, Bewahrung erfährt,  das zeigt, dass wir noch etwas anderes brauchen als die anspornende Botschaft: 

„Du kannst alles erreichen, wenn du nur an dich selbst glaubst.“  

Enttäuschend ist es darum, wenn es Erlebnisse gibt, durch die das Leben doch verletzt wird, ungeschützt ist, preisgegeben. Wenn der Schutz Gottes nicht wie erhofft „funktioniert“ hat. Deswegen ist es mir wichtig, nicht nur die „Schutzbilder“ herauszugreifen, sondern ganze Psalmen zu meditieren.  Denn dort, wo der Grund des Vertrauens aufgebrochen ist, wo es Verwerfungen und Löcher gibt, da können Psalmen selbst wie ein schützender Mantel sein. Das, was erschüttert ist, kann sich da hinein bergen. 

„Wie lange willst du dich vor mir verbergen… wie lange soll ich sorgen in meiner Seele…?“ (Ps 13,1ff)  

„Tränen sind meine Speise Tag und Nacht …“ (Ps 42,11). 

Solche Worte können wir uns ausleihen für unsere eigene Situation. Sie wird von diesen Worten eingehegt, eingehüllt, verpackt.  Meine Erfahrung ist, dass es mir und anderen leichter werden kann, wenn die Psalmen wie ein Faden durchs Labyrinth der Gefühle führen bis hin zum Wendepunkt und Neuanfang: „Dennoch bleibe ich  stets an dir, denn du hältst mich bei deiner Rechten.“ (Ps 73, 23)

Schutz und Schirm - der Bartgeier zeigt, wie es geht. Und gut, wenn wir nicht alles Gott überlassen, sondern auch als Mensch  das Leben anderer so beschirmen, dass es gedeihen kann, oder in Frieden zu Ende gehen kann.

Ursula Trippel