Sie alle kennen das: Eine Gemeinschaft trifft sich regelmäßig schon seit vielen Jahren. Die dazu gehören, kennen sich, wissen einander zu nehmen, haben viel miteinander erlebt und sind deswegen hochverbunden miteinander. Gerne bezeichnen sie sich selbst als einen „offenen Kreis“, in dem jeder willkommen ist. Ein „offener Kreis“? In der Geometrie ist das Merkmal eines Kreises gerade, dass er geschlossen ist, sonst ist die geometrische Figur kein Kreis. Gemeinschaften, die sich als „offener Kreis“ verstehen, wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sie aufgeschlossen sind für neue Menschen, für Ideen von anderen. Genau betrachtet ist das aber oft nicht der Fall. Der „inner circle“ – also der innere Kreis, der harte Kern einer Gemeinschaft, ist sich oft selbst genug oder kann  allenfalls  die „wesensähnlichen“ Menschen integrieren, eben solche, die zu den bereits vorhandenen passen.

So hätte es auch nach Tod und Auferstehung Jesu ausgehen können. Der „inner circle“ -der Jüngerkreis- hätte eng beieinander bleiben können. Vielleicht hätten sie sich regelmäßig getroffen, um an die bewegende und besondere Zeit mit Jesus zu denken. Die Begegnungen mit dem Auferstandenen hätten sie als sie verbindendes, geheimnisvolles Erlebnis bewahren können. Der Kreis hätte sich darum schließen können so wie ein Tresor einen Schatz einschließt. 

Aber es kommt anders. Wie es ihnen der Auferstandene Jesus gesagt hat, sammeln sie sich zu Pfingsten, zum jüdischen Erntefest Schewuot, in Jerusalem. Dort sind zum Fest Menschen aus vielen Ländern angereist. Und dort geschieht es. Der Heilige Geist kommt über sie, eine Kraft, die sie aus dem Haus treibt auf die Straßen und Plätze und sie dazu im Stande sein lässt, in allen Sprachen die gute Nachricht von Jesus zu verkünden. Und der Funke springt über, viele Menschen finden zu diesem neuen Glauben. So wird es im 2. Kapitel der Apostelgeschichte eindrücklich erzählt.

Die Nachricht ist, dass Gott seinen Frieden aufrichtet. Ein Frieden, der aus Versöhnung wächst – und der durch Leben, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus erkennbar geworden ist. Die Liebe Gottes, die in aller Fülle in Jesus lebendig war und durch den Tod hindurch zum Leben durchgebrochen ist, bleibt die Liebe, die sucht und findet und heilt, was verloren ist. Sie durchbricht Machtstrukturen, die Menschen nieder halten. Und sie will die im Nebeneinander oder gar Gegeneinander verlorenen Menschen einsammeln in diesen Frieden hinein.

Darum sprengt Gottes Geist den geschlossenen Kreis derer, die Jesus gefolgt sind. Die Jünger gehen wenig später als Apostel  „in alle Welt“ – weil Gott sich auf alle Menschen zubewegt. Weil alle Menschen zu diesem Frieden gerufen sind, bewegen auch sie sich auf alle Menschen zu. In dieser Bewegung bleibt Jesus Christus Ausgangspunkt und Zielpunkt und Mittelpunkt des Glaubens. Die Verbindung untereinander ist kein geschlossener Kreis mehr, sondern wie die von Strahlen, die aus derselben Lichtquelle hervorgehen.

Was bedeutet es für uns heute als Kirchengemeinde? Alle Kirchengemeinden wollen eines sein: eine lebendige Gemeinschaft, in der etwas von diesem Geist spürbar ist. Und eine attraktive Gemeinschaft, also eine, die für andere im wahrsten Wortsinn anziehend ist und zu der immer wieder neu Menschen dazu kommen. Und da ist es wichtig: kommt die Kirchengemeinde als „offener Kreis“ rüber– oder als geschlossene Gesellschaft? Und: verwechseln wir manchmal den Kirchturm als Mittelpunkt mit Jesus Christus als Mittelpunkt?

Da, wo wir zur geschlossenen Gesellschaft neigen, ist es gut, sich die Pfingstgeschichte wieder zu vergegenwärtigen. Christen und Christinnen können nicht selbstgenügsam sein. Da, wo uns der Kirchturm zum Mittelpunkt geworden ist, möge uns die Nachfolge im Geist Jesu immer wieder über die Sehnsucht nach eigener Selbstvergewisserung mit Gleichgesinnten hinaus treiben. In ihr finden wir die Sprache, die zur Brücke zwischen Menschen wird, das Wort, das Versöhnung möglich macht. Die Tat, die zum Frieden zwischen Menschen beiträgt. Das macht lebendig!

Ursula Trippel

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Gemeinschaft

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