Wohnen in der Seniorenwohnanlage als Chance zur Gemeinschaft

Freundlich öffnet mir Herr Georg Zernig die Tür zu seiner Wohnung in der Seniorenwohnanlage in der Gustav-Heinemann-Straße. Seine 90 Lebensjahre sieht man ihm nicht an. Im Jahr 2012 ist er hier eingezogen von außerhalb – wie viele der Mitbewohner, die im Alter näher bei ihren Kindern wohnen wollen und dafür ihr gewohntes Umfeld mit der vertrauten Nachbarschaft und Bekanntschaft aufgeben.

„Es war ein bewusster Schritt für mich, in eine Seniorenwohnanlage zu ziehen“, erzählt er, „ich habe mir erhofft, dass ich damit noch einmal neu Gemeinschaft finde und wollte mich nicht nur auf meine Kinder stützen.“ Und dies ist ihm geglückt. Er selbst trägt viel dazu bei. Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft, die nicht aufdringlich ist, schätzt er sehr und übt sich darin selbst ganz bewusst. Anteilnahme ohne Neugier ist ihm wertvoll. Das hat er auch selbst durch die Nachbarschaft erfahren, als seine Frau Emmy vor 12 Monaten gestorben ist. Die beiden waren 62 Jahre verheiratet.

Und Dankbarkeit nennt er ganz weit oben als etwas, das zur Gemeinschaft beiträgt: „Man darf es nicht für selbstverständlich halten, dass sich jemand freundlich um einen kümmert, selbst wenn er dafür bezahlt wird.“ Danken können bedeute, den anderen zu achten.

„Aus der Ehe kann man viel lernen für den Umgang mit einer Gemeinschaft“, sagt er: „Jeder hat sein eigenes Ich. Das muss man respektieren. Und es darf einem nicht nur um das eigene Ich gehen. Man braucht auch den anderen. Der Mensch ist kein Einzelwesen“ – Das klingt ein bisschen wie in dem Kirchenlied „…zum Ich gehört ein Du um Wir zu sagen…“ (EG. 634).

Das Leben in der Wohnanlage bietet Freiraum für jeden und lässt keinen vereinsamen.

Als Beispiel für den Respekt vor den Grenzen, die ein Mensch hat, erzählt er verschmitzt die Situation, in der man ihn für die Seniorengymnastik motivieren wollte und er dankend ablehnte: „Ich habe nie Sport getrieben und bin damit 90 Jahre alt geworden, das fange ich jetzt nicht noch an.“  Niemand nahm ihm das übel oder war gekränkt. Andere Angebote in der Seniorenwohnanlage schätzt er: Die Kaffee-Runden, die vom  Betreuungsstützpunkt angeboten werden und gemeinsame Termine für Beratungen. Es  können Verabredungen getroffen werden, wenn jemand eine Begleitung braucht bei einem größeren Einkauf. Man hört auf den Rat anderer, man schätzt einander in der Lebenserfahrung, die dahinter steckt. In der Gemeinschaft erlebt man, dass man gewürdigt wird mit dem, was man kann. Für das Leben mit Gebrechen in der Gemeinschaft gibt er den Tipp: „Jammern bringt nichts. Humor hilft.“ Selten geht ein Besucher oder eine Pflegeperson aus seiner Wohnung, ohne dass er einen kleinen, humorvollen Spruch vom Kalender mitbekommt. Und sein Gottvertrauen ist manchmal auch Halt und Trost für andere. Er ist katholischer Christ mit ökumenischer Ausrichtung. Auch da liegt eine Wurzel seines Talentes fürs Brückenbauen zwischen Menschen. „Meine Großeltern waren einer katholisch und eine evangelisch. Aber lieb hatten sie mich beide gleich. Da dachte ich: so anders kann der Glaube ja dann nicht sein.“

Das Verbindende suchen, bereit zu sein, eigene Fehler zu bearbeiten – das ist auch im Alter möglich. Damit aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird, braucht es viele kleine Schritte und eigene Bereitschaft, resümiert er. Und er ist mit vielen seiner Nachbarn auf dem Weg, der Menschen miteinander verbindet.

Ursula Trippel sprach mit Herrn Georg Zernig

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